Hochsensibilität - Ein wissenschaftlich fundiertes Phänomen, keine „Befindlichkeitsstörung“ Jenseits von Mythen und Missverständnissen

Veröffentlicht am 26. Oktober 2024 um 10:15

Hochsensibilität wird oft missverstanden und teils als Persönlichkeitseigenart oder esoterisches Konzept abgetan. Tatsächlich deuten jedoch wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hin, dass es sich bei Hochsensibilität – in der Fachliteratur als „Sensory Processing Sensitivity“ (SPS) bezeichnet – um ein biologisch verankertes Persönlichkeitsmerkmal handelt. Diese erhöhte Sensitivität hat sich evolutionsbiologisch als überlebensfördernd erwiesen, da sie dem Überleben der Gruppe dient, indem sie bei etwa 15–20 % einer Art auftritt. Hochsensibilität ist nicht nur beim Menschen, sondern auch bei über 100 Tierarten nachgewiesen. Ein solcher Anteil an Hochsensiblen ist ideal; ein höherer Prozentsatz könnte zu Reizüberflutung führen, während ein geringerer Anteil das Fehlen einer schnellen Umweltwahrnehmung bedeuten würde.

Hier sind einige Forschungsansätze:

 

  1. Erhöhte Gehirnaktivität und Reizverarbeitung

Studien mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) zeigen, dass hochsensible Menschen in Gehirnarealen, die mit Empathie, emotionaler Verarbeitung und Selbstreflexion zusammenhängen, eine stärkere neuronale Aktivität aufweisen. Dazu gehören  der präfrontale Kortex und die Spiegelneuronen-Netzwerke, die die soziale und emotionale Signalverarbeitung unterstützen. Diese erhöhte Aktivität führt dazu, dass hochsensible Personen soziale und emotionale Signale besonders stark wahrnehmen.

 

  1. Veränderungen im Neurotransmitter-Haushalt

Auch im Neurotransmitter-Stoffwechsel zeigen sich Unterschiede. So funktionieren bei hochsensiblen Menschen die Neurotransmitter Serotonin und Dopamin, die maßgeblich an der Emotionsregulation und Reizverarbeitung beteiligt sind, möglicherweise anders. Diese biochemischen Unterschiede führen zu intensiveren emotionalen Erlebnissen und deuten darauf hin, dass Hochsensibilität auf realen biochemischen Grundlagen basiert.

 

  1. Feinere neuronale Vernetzung

Die Forschung zeigt, dass hochsensible Menschen über dichtere und differenziertere neuronale Verbindungen verfügen – besonders in Gehirnarealen, die für sensorische Verarbeitung und detailorientiertes Denken zuständig sind. Diese stärkere neuronale Vernetzung könnte erklären, warum hochsensible Personen subtile Reize genauer wahrnehmen und detaillierter verarbeiten können, was jedoch auch eine erhöhte Anfälligkeit für Reizüberflutung mit sich bringt.

 

  1. Sensorische und emotionale Verarbeitung

Die Insula, ein Gehirnareal für Selbstwahrnehmung und Emotionsverarbeitung, zeigt bei hochsensiblen Menschen häufig eine höhere Aktivität. Dadurch sind sie besonders empfänglich für sensorische und emotionale Reize, was eine verbesserte soziale Interaktion und ein erhöhtes Umweltbewusstsein zur Folge haben, gleichzeitig jedoch auch zu schneller Überforderung führen kann.

 

  1. Aktivität im Default Mode Network (DMN) und intensives Nachdenken

Im Ruhezustand zeigt das Gehirn hochsensibler Menschen im sogenannten „Default Mode Network *DMN*“ (Standardmodus Netzwerk) oft eine erhöhte Aktivität. Dieses Netzwerk unterstützt selbstreflexive Gedanken und Selbstbeobachtung (Introspektion)  und ist bei Hochsensiblen besonders aktiv. Dies führt dazu, dass sie Erlebnisse tiefgehender reflektieren und auf soziale oder emotionale Reize besonders intensiv reagieren – was in der Folge zu Ermüdung führen kann, aber auch eine reiche innere Gedankenwelt fördert.

 

  1. Längere Verarbeitungszeit für Reize

Hochsensible Menschen brauchen oft mehr Zeit für die Verarbeitung von Reizen, da sie diese detailliert und tiefgehend analysieren. Diese intensive Wahrnehmung kann zwar anstrengend sein, bietet jedoch Vorteile, wenn es um komplexe Entscheidungen und kreative Aufgaben geht.

Hochsensibilität ist also keine „Störung“. Vielmehr ist sie eine Variante menschlicher Wahrnehmung und Verarbeitung mit klaren neurologischen Unterschieden. Ein besseres Verständnis dieser Eigenschaft kann dazu beitragen, das Potenzial hochsensibler Menschen anzuerkennen und zu fördern.

 

Für weitere Informationen verweise ich auf wissenschaftliche Studien, wie beispielsweise die Arbeiten von Dr. Bianca Acevedo in Zusammenarbeit mit Elaine Aron, Tyler Santander, Robert Marhenke und Arthur Aron, die sich intensiv mit der Neurologie der Hochsensibilität beschäftigen.

 

Quellen hierzu:

https://royalsocietypublishing.org/doi/pdf/10.1098/rstb.2017.0161

https://karger.com/nps/article/80/2/185/240587/Sensory-Processing-Sensitivity-Predicts-Individual

https://neurosciencenews.com/sensitivity-processing-rest-18346/

https://chatopenai.de/

 

 

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